Namibia 2003

Reisebericht

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– aufgeschrieben von Thomas –

 

15.08.2003

Im Morgengrauen landet unser Flugzeug in Windhoek, und wir überqueren das Flugfeld bei eisiger Kälte – in Namibia ist es Winter. Ein Mitarbeiter des Autovermieters "namibia car hire" holt uns ab und bringt uns zur vorgebuchten "Pension Moni". Wenig später erscheint "Werner" (der Vermieter, ein weißer Namibier) und übergibt uns den von Deutschland aus georderten Mazda "Sting Sedan".

Die Entscheidung für diesen Fahrzeugtyp (eine einfache, frontgetriebene Limousine) werden wir zu keinem Zeitpunkt bereuen. Sie nimmt unser gesamtes Gepäck einschließlich der voluminösen Camping-Ausrüstung (s.u.) und sogar ein zweites Reserverad auf, und der im Vergleich zu den geländegängigen Allrad-Fahrzeugen niedrige Schwerpunkt stellt auf den gefährlichen Gravel Roads (Kiespisten) sogar einen Sicherheitsvorteil dar: Unter den zahlreichen Touristen, die während unseres nur dreiwöchigen Namibia-Aufenthaltes auf den Gravel Roads verunglücken, sind die meisten mit Allrad-Fahrzeugen unterwegs. Zudem ist jede Straße mit diesem Fahrzeug zu bewältigen, einzige Ausnahme ist der letzte Abschnitt der Sandpiste zum Sossusvlei in der Namib-Wüste – aber dort gibt es Allrad-getriebene Shuttles.

Es erwärmt sich schnell auf 25 Grad. Bei einem Bummel durch Windhoek erweist sich die Hauptstadt Namibias als nicht besonders aufregend, einen eintägigen Besuch ist sie aber allemal wert. Die adrette Innenstadt bietet recht gute Einkaufsmöglichkeiten, und es gibt durchaus einige touristische Anziehungspunkte – allen voran die Christuskirche, das Wahrzeichen Windhoeks. Die Straßen sind bevölkert von Menschen unterschiedlicher Rassen; natürlich überwiegen die Schwarzen, es sind aber auch Weiße unter den Einheimischen (die Nachfahren der Kolonialherren) und Mischlinge. Die Verständigung ist – wie im übrigen Namibia – unproblematisch, fast alle Einheimischen sprechen Englisch, nicht wenige (vor allem unter den weißen) Deutsch. Auffällig sind die zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen: Die meisten Grundstücksmauern sind zusätzlich mit Stacheldraht bewehrt, und wo immer wir das Auto abstellen, stehen Car Guards bereit, um es für ein geringes Entgelt zu bewachen – auch der Parkplatz auf dem Hof unserer Pension ist rund um die Uhr bewacht. Natürlich wird – wie in jeder anderen Hauptstadt der Welt – vor Taschendieben und Straßenräubern gewarnt, und so muss ich meine wertvoll aussehende Kameraausrüstung gelegentlich vor allzu neugierigen Blicken unter der Jacke verbergen.

Nachmittags fahren wir zum "Namibia Camping Hire", um unsere ebenfalls von Deutschland aus gemietete Camping-Ausrüstung abzuholen.

Diese stammt offenbar aus älteren Armeebeständen und ist dementsprechend derb und auch ein wenig muffig, erfüllt später aber ihren Zweck. Lediglich die – in den kalten Nächten dringend benötigten – "Wolldecken" (aus Synthetik) sind wegen ihrer Neigung zu starker statischer Aufladung ausgesprochen unpraktisch. Zu unserer Ausrüstung gehören neben dem Iglu-Zelt ein blecherner Klapptisch, zwei Klappstühle, sowie eine "Kochkiste" mit Gaskocher, Töpfen, Blechkännchen, Geschirr und Besteck, so dass wir uns einfache Dosengerichte und Tee zum Frühstück selbst zubereiten können. Es gibt keine Luftmatratzen, sondern dicke, zusammenlegbare Schaumstoffmatten. Sie sind als Nachtlager brauchbar, haben aber enorme Packmaße!

Nach einer Übungsfahrt am Rande der Stadt (Linksverkehr, Rechtssteuerung!) kehren wir abends im "Homesteads Restaurant" ein und bestellen Game (Wild): man serviert uns riesige gegrillte Steaks von Zebra, Springbock und Oryx-Antilope mit einer eher frugalen Gemüsebeilage – typisch für Namibias Küche. Obwohl das Restaurant von unserer Pension nicht weit entfernt ist, sind wir der Empfehlung unserer Gastgeber gefolgt und aus Sicherheitsgründen die wenigen hundert Meter mit dem Auto gefahren. Auf den abendlichen Straßen patrouillieren mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten, und auch der Parkplatz vor dem Restaurant wird von einem Car Guard bewacht – sicher nicht ohne Grund.

 

16.08.2003

In der Frühe brechen wir Richtung Norden auf, unser heutiges Ziel ist der Waterberg. Die B1, eine breite Asphaltstraße, führt zunächst durch die hügeligen Ausläufer des Khomas-Hochlandes, danach durch die endlose und vollkommen ebene Trockensavanne der Kalahari.

Die Straße ist beiderseits gesäumt von einem breiten Streifen, der frei ist von jeglichem Buschwerk, dahinter trennt jeweils ein Zaun den Grasstreifen von der umgebenden Savanne. Da wir diese Situation fast überall so antreffen, können wir nachvollziehen, warum gelegentlich vom "eingezäunten Namibia" gesprochen wird.

Unterwegs sehen wir im Gras neben der Straße ein Dutzend Steppenpaviane sitzen, die allerdings davoneilen, bevor ich sie fotografieren kann; ein anderes Mal beobachten wir zwei Warzenschweine, wie sie sich auf der Seite liegend unter einem Zaun hindurchwälzen, und immer wieder ziehen Strauße durch die Savanne.

In Okahandja legen wir eine Pause ein, um den berühmten Holzfigurenmarkt zu besuchen. Ein ungestörter Bummel über den Markt ist allerdings nicht möglich: kaum verlangsamt man das Tempo, wird man von den Händlern angesprochen und bedrängt, die Waren an ihrem Stand zu besichtigen. Das ist zugegebenermaßen unangenehm (und sogar Thema eines Artikels in der deutschsprachigen "Allgemeinen Zeitung"), aber wer wollte ihnen das verübeln? Schließlich erstehen wir zwei hölzerne Masken und zwei kleine Pavianfiguren.

In einem Supermarkt begegne ich zwei prächtig gewandeten (und augenscheinlich begüterten) Herero-Frauen. Mein feiger Versuch, heimlich Fotos aus der Hüfte zu schießen, scheitert gerechterweise. Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen, spreche sie draußen auf der Straße an und bitte darum, sie fotografieren zu dürfen. Darauf stellen sie sich bereitwillig vor mir auf und mir gelingen schöne Fotos dieser stolzen Menschen.

Nachmittags setzen wir die Fahrt nach Norden fort, und der Blick in die zunehmend tiefer stehende Sonne führt mir zu Bewusstsein, dass hier auf der südlichen Halbkugel die Sonne ihren Lauf über den Norden nimmt! Schließlich biegen wir nach Osten auf die C22 und dann auf die zum Waterberg führende Straße ab – die erste Gravel Road, die wir zu bewältigen haben. Am Rande der Piste sehen wir immer wieder Perlhühner, einmal auch einen Gelbschnabeltoko, und im Sand identifizieren wir Leopardenspuren. Einmal flüchtet vor uns ein kleines Rudel der "Südlichen Zwergmanguste" (ein wieselähnlicher Kleinsäuger) ins Gebüsch.

Bald taucht das weithin sichtbare Waterberg-Gebirgsplateau auf. Für die kurze Strecke über die Gravel Road benötigen wir fast eine Stunde – wegen der ausgeprägten Wellblechstruktur (Querrillen) wagen wir es nicht, schneller als 40 km/h zu fahren.

Am Gate des Nationalparks buchen wir für den übernächsten Tag (der folgende Tag, unser Ruhetag am Waterberg, ist ausgebucht) eine "Scenic Tour" über das Plateau, das mit Privatfahrzeugen nicht befahren werden darf. Danach beziehen wir unseren Bungalow im Rest Camp "Barnabé de la Bat" und genießen den Blick von unserer Terrasse auf den Waterberg und die endlose Kalahari im Sonnenuntergang. (Dieser beginnt hier um diese Jahreszeit schon früh gegen halb sechs, und eine Viertelstunde später ist es bereits dunkel!) Nach dem Essen im Restaurant des Resorts bewundern wir auf unserer Terrasse den legendären südlichen Sternenhimmel über der Kalahari: Die Milchstraße überzieht den wolkenlosen, tiefschwarzen Himmel in seiner Gesamtheit bis hinunter zum Horizont – ein nie zuvor gesehener, fantastischer Anblick.

Diese attraktive Unterkunft haben wir von Deutschland aus langfristig vorgebucht, ebenso wie die – ebenfalls staatlichen – Resorts "Okaukuejo Rest Camp" in der Etosha und den Campingplatz bei Sesriem. In den Nationalparks (Etosha und Namib-Naukluft bei Sesriem/Sossusvlei) ist die Übernachtung in den staatlichen Resorts unbedingt zu empfehlen, weil damit die Genehmigung verbunden ist, sich auch zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang im Nationalpark aufzuhalten. Reisende, die anderswo logieren, müssen die Parks in dieser Zeit verlassen, und ihnen entgehen sowohl die spektakulären Sonnenauf- und ‑untergänge in der Namib-Wüste, als auch die Wildtiere in der Dämmerung an den Wasserlöchern in der Etosha. Außerdem haben wir vorgebucht: "Pension Moni" (Windhoek) zu Beginn und am Ende der Reise, die "Mokuti-Lodge" am Ostrand der Etosha, sowie das "Khorixas Rest Camp" im Damaraland.

 

17.08.2003

Nach dem Aufstehen veranlassen uns scheppernde Geräusche, nach draußen zu sehen – sie stammen von Pavianen, die regelmäßig die Bungalow-Siedlung heimsuchen und lärmend die Abfalltonnen nach etwas Nahrhaftem durchsuchen.

Gegen Mittag brechen wir zur Wanderung auf das Plateau auf. Der "Mountain View Walk" führt über einen steinigen Pfad durch den Savannenwald sanft bergauf. Auf den Felsen dösen Klippschliefer träge in der Sonne, und einmal sehen wir ein Rudel Paviane in den Baumwipfeln sitzen und äsen. Der wenig beschwerliche Aufstieg führt schließlich auf den Rand des Plateaus; eine Fortsetzung des Weges ins Innere der Hochebene ist aus Gründen des Naturschutzes allerdings nicht gestattet. Der Blick von der Plateau-Abbruchkante ist grandios, die von schnurgeraden Pisten durchzogene Ebene der Kalahari erstreckt sich schier endlos bis zum Horizont. Auf dem Rückweg stelle ich mit meiner Kamera einer Gruppe Paviane nach, die in den Felsen der Plateaukante sitzen. Als diese sich von mir bedrängt fühlen, schirmt ein männliches Tier die Jungtiere ab und bedroht mich mit lautem Bellen.

Wieder auf dem Gelände der Bungalow-Siedlung lernen wir zwei 5- und 7-jährige schwarze Jungen kennen. Wir verständigen uns mühelos mit Händen, Füßen und wenigen Brocken Englisch und erfahren so, dass der jüngere den "Kindergarten" besucht (wo auch immer der sein mag).

Nach einer weiteren Kurzwanderung am Nachmittag nehmen wir ein kurzes Bad im eisigen Wasser des Pools, auf dem Rückweg begegnen wir in der Abenddämmerung zwei Damara Dik-Diks (Zwergantilopen). Im Restaurant lassen wir uns zum Abschluss leckeres Springbock-Gulasch schmecken, während eine Gruppe schwarzer Jugendlicher die Gäste mit folkloristischem Gesang unterhält.

 

18.08.2003

Da unsere am Ankunftstag gebuchte Scenic Tour um 6 Uhr in der Frühe startet, müssen wir bereits um 5 Uhr aufstehen; belohnt werden wir dafür mit einem zwar kurzen (15 Minuten), aber traumhaft schönen Sonnenaufgang.

Gemeinsam mit zehn weiteren Passagieren besteigen wir einen speziell für solche Touren ausgerüsteten, allradgetriebenen Toyota. Obwohl wir bereits Fliesjacke und Anorak übereinandergezogen haben, ist die eisige Kälte nur auszuhalten, indem wir uns zusätzlich in die glücklicherweise bereitliegenden Wolldecken hüllen. Die Fahrt geht zunächst etwa 15 km über eine buckelige Gravel Road, die der erfahrene Fahrer in einem Tempo nimmt, das durchaus Seefestigkeit bei den Passagieren voraussetzt. Danach gelangen wir über eine schräge Rampe hinauf auf das Plateau.

Oben angekommen duchqueren wir auf sandigen Pisten mit tiefen Spurrillen die Savanne und erreichen nach etwa 1½ Stunden eine Wildbeobachtungsstation. Durch einen dem Sichtschutz dienenden tunnelartigen Gang gelangen wir in eine geschlossene Schutzhütte, in der ein Sehschlitz den Blick auf eine Lichtung mit einer künstlichen Wasserstelle freigibt. Als wir eintreffen, entfernt sich gerade eine große Antilope, vielleicht ein Kudu oder eine Elenantilope. Nachdem ein Springbock kurz auftaucht, um gleich wieder in typischer Springbock-Technik davonzuhüpfen, erscheint eine der (sehr seltenen) Pferdeantilopen, die wir lange beobachten und fotografieren können. Weitere Tiere lassen sich indes nicht blicken.

Inzwischen ist es deutlich wärmer geworden. Bevor wir aufbrechen, nehmen wir um den Toyota herumstehend das mitgebrachte Frühstück zu uns. Die Rückfahrt führt dann durch herrliche Landschaft: Rote Felsen vor strahlend blauem Himmel stehen in reizvollem Kontrast zum leuchtenden Gelb des Grases neben der ockerfarbenen Sandpiste. Unterwegs zeigt uns unser Guide immer wieder frische Spuren und frischen Dung des hier heimischen und sehr selten gewordenen Spitzmaulnashorns; zu sehen bekommen wir es leider nicht. Schließlich tauchen vor uns zwei Giraffen auf (wohl eine Kuh mit ihrem Kalb), und bevor sie in der Savanne verschwinden, können wir sie eine Weile beobachten und fotografieren.

Danach geht es zurück zur Bungalow-Siedlung.

Wir sind uns einig, dass sich dieser Ausflug gelohnt hat, und dass er sein Geld – 200 N$, etwa 50 Euro – wert war; im Guestbook an der Rezeption finden sich aber auch anderslautende Kommentare. Die Ausbeute an Tierfotos ist in der Tat kümmerlich verglichen mit dem, was wir im Etosha Nationalpark erleben werden, und wir verstehen, warum der Waterberg in dieser Hinsicht jene enttäuschen muss, die in umgekehrter Richtung reisen.

Gegen 11 Uhr brechen wir auf Richtung Norden, Ziel der heutigen Etappe ist Tsumeb östlich der Etosha. Wieder müssen wir über die Wellblechpiste zur C22, aber diesmal wagen wir eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit auf 60 km/h, und zu unserer Überraschung stellen wir fest, dass sie bei diesem Tempo wesentlich komfortabler zu befahren ist.

Auf der C22 haben wir dann ein äußerst beunruhigendes Erlebnis. Am Straßenrand steht ein Schwarzer neben einem Pick‑Up; er ist bekleidet mit einer Art Uniform und bedeutet uns durch eine Geste, dass wir langsamer werden und anhalten sollen. Während wir näher kommen, bemerken wir drei weitere Männer in Zivil in seiner Nähe. Als ich im Schritttempo auf ihrer Höhe bin, mustert der Uniformierte unser Auto und interessiert sich dabei auch auffällig für das auf der Rückbank liegende Gepäck. Da ich nun sicher bin, dass es sich nicht um eine reguläre Polizeikontrolle handelt, starte ich durch, und wir entfernen uns mit hohem Tempo. Hatten die eine Panne – oder haben wir soeben einen Raubüberfall vereitelt? Es wird der einzige Vorfall dieser Art bleiben, aber ein mulmiges Gefühl begleitet uns von nun an auf einsamen Strecken immer.

Die Fahrt auf der B1 über Otjawarongo (öde) und Otavi (trostlos) ist ausgesprochen eintönig. Die nahezu gleichmäßig verteilten Termitenhügel in der ebenen Savanne rechts und links der Straße sehen aus, als habe sie jemand dort so aufgestellt. Einzige Abwechslung sind einige Warzenschweine, die wir am Straßenrand zu sehen bekommen. Hinter Otavi wird die Landschaft hügeliger und damit reizvoller. Gelegentlich überholen wir einzelne Fußgänger, und wir wüssten zu gern, woher sie kommen und wohin sie gehen mögen – in dieser Einsamkeit fernab jeder menschlichen Siedlung.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Tsumeb. Wir statten zunächst dem am Ortsrand gelegenen sehenswerten Freilichtmuseum einen Besuch ab, in dem die unterschiedlichen Hüttentypen der einheimischen Volksstämme besichtigt werden können. Dann nehmen wir Quartier im legendären und durchaus urigen, mit 500 N$ für das Doppelzimmer aber entschieden zu teuren "Minen-Hotel" (Tsumeb ist eine bedeutende Bergbaustadt mit Kupfer- und Zinkminen). Am Abend ist das mäßig attraktive Städtchen dann wie ausgestorben, eine Alternative zum Restaurant unseres Hotels finden wir auf unserem Stadtbummel nicht. Also essen wir dort: Steak von der Elenantilope und Kingklip (ein Speisefisch), dazu wird eine uns unbekannte wohlschmeckende Kürbisfrucht serviert – vorzüglich, und in riesigen Mengen!

 

19.08.2003

Gegen halb zehn brechen wir auf. Nach 20 km erreichen wir den Otjikoto-See, an dem wir eine Pause einlegen. In einem Souvenir-Shop erstehe ich eine Tüte "Game-Biltong". Biltong ist ein im südlichen Afrika verbreiteter Snack: in Streifen geschnittenes Dörrfleisch vom Rind oder vom jeweils lokal vorkommenden Wild (Game), in diesem Falle von der Oryx-Antilope.

Bereits mittags erreichen wir unser heutiges Etappenziel, die in unmittelbarer Nähe des östlichen Eingangs zum Etosha Nationalpark gelegene Mokuti-Lodge. Wir passieren ein Gate und durchqueren auf einer Gravel Road das weitläufige Gelände (4000 ha!) der Lodge. Hier schlendern Giraffen ganz unbekümmert über die Straße, und Antilopen, die ich später als Buntböcke identifizieren werde, äsen träge im Schatten der Bäume.

Am Nachmittag wandern wir auf dem 3,2 km "langen" zur Lodge gehörenden Hiking Trail durch die Dornbuschsavanne. Außer einigen Echsen und Vögeln (darunter ein Rotschnabeltoko) bekommen wir keine Tiere zu sehen, obgleich frische Spuren und Kot von deren Anwesenheit zeugen. Trotzdem lohnt sich diese kurze Wanderung, denn es bieten sich im "eingezäunten Namibia" nicht viele derartige Gelegenheiten.

Beim anschließenden Besuch des – sehenswerten – Reptilienparks der Lodge erfahren wir, dass die in Namibia vorkommenden Giftschlangen (darunter die Schwarze Mamba) bei einem einzigen Biss das 10-fache der für einen Menschen tödlichen Menge Gift injizieren – auch eine Art von Sicherheit!

Am späten Nachmittag nehmen wir vor unserem Bungalow sitzend den Nachmittags-Tee zu uns und beobachten dabei Giraffen und Buntböcke, die in unmittelbarer Nähe umherstreifen. Die Fluchtdistanz der Giraffen scheint in etwa ihrer Körperhöhe zu entsprechen – so nah lassen sie uns heran! Abends haben wir die Wahl zwischen "à la Carte" im Restaurant und – etwas teurer – dem Besuch der "Boma", einem in Afrika traditionellen kreisrunden Grillplatz unter freiem Himmel. Wir entscheiden uns für die Boma, was wir nicht bereuen. Es gibt ein überaus reichhaltiges Buffet, sowie unterschiedlichste Sorten Fleisch vom Schwenkgrill; wir wählen Oryx-Steak, Medaillons von der Elenantilope und "Boerenworst" (Afrikaans für "Bauernwurst") – köstlich!

Die Nacht verbringen wir sicherheitshalber unter einem Moskitonetz.

 

20.08.2003

Früh um halb sechs stehen wir auf und nehmen unser Frühstück im Restaurant zu uns, vor unserem Bungalow frühstücken die Giraffen und Buntböcke. Kurz vor acht Uhr passieren wir das "Namutoni Gate" zum Etosha Nationalpark.

Der öffentlich zugängliche Teil des Nationalparks ist begrenzt auf einen schmalen Streifen am südlichen Rand der Salzpfanne, die etwa ein Viertel des Parks ausmacht. In diesem Streifen ist die offene Savanne durchzogen von einem Netz von Pisten (Gravel Roads), die von Individualtouristen befahren werden dürfen. Zum Schutz der Tiere vor den Menschen und umgekehrt (hier leben Nashörner und Löwen!) ist es allerdings streng untersagt, das Auto zu verlassen. Es gibt eine Vielzahl von (teilweise künstlich angelegten) Wasserlöchern, an die meist bis auf Sichtweite herangefahren werden kann. Neben Namutoni am Osteingang gibt es die Rest Camps Okaukuejo in der Nähe des Südeinganges und Halali etwa in der Mitte dazwischen.

Am heutigen Tag wollen wir den Park in Südwestrichtung bis Okaukuejo durchqueren, wo wir von Deutschland aus für zwei Nächte einen Zeltplatz im staatlichen "Okaukuejo Rest Camp" gebucht haben. Gleich auf den ersten Kilometern wird klar: es bedarf keinerlei Anstrengung, Wildtiere zu sehen – die Begegnung mit ihnen ist nahezu unvermeidlich! Zebras, Strauße, Gnus, Giraffen, Oryx-Antilopen und Springböcke sind – nicht nur an den Wasserlöchern – allgegenwärtig und können aus nächster Nähe beobachtet werden. Wenngleich diese Situation etwas von der Künstlichkeit der Safari-Parks in Deutschland zu haben scheint, handelt es sich hier doch um den authentischen Lebensraum dieser Tiere, freilich erweitert um die Straßen und die Autos mit den Menschen darin. Da insbesondere Zebras und Giraffen in den Autos aber offenbar keinerlei Bedrohung sehen, kommen sie diesen ohne Scheu fast beliebig nahe. So erleben wir einmal, wie eine Herde Zebras geduldig am Rand der Piste ausharrt, bis die Tiere erkennen, dass wir sie vorbeilassen wollen – dann überqueren sie unmittelbar vor unserem Auto die Straße.

Auf der Fahrt nach Okaukuejo fahren wir fast ein Dutzend Wasserlöcher an und machen außerdem einen lohnenden Abstecher zum "Etosha Lookout", einem in der Salzwüste gelegenen Aussichtspunkt. Neben den oben genannten Tieren sehen (und fotografieren) wir Warzenschweine, diverse Antilopenarten, Elefanten (Einzelgänger ebenso wie eine große Herde mit Jungtieren), sowie etliche exotische Vögel, von der kleinen bunten Gabelracke bis hin zu den prächtigen Riesentrappen. Einmal haben wir sogar das Glück, eine Oryx-Kuh beim Säugen ihres Kalbes beobachten zu können!

(Eine vollständige Liste der von uns beobachteten Arten findet sich hier.)

Auf dem Campingplatz in Okaukuejo angekommen gelingt uns nach einigem Herumexperimentieren der erstmalige Aufbau unseres Zeltes. Zum Abendessen suchen wir das Restaurant des Resorts auf, das wir wegen des schlechten Preis-/Leistungsverhältnisses (ein Buffet nur mäßiger Qualität für 95 N$, entsprechend ca. 24 Euro) jedoch nicht weiterempfehlen können, und wir sehen mit einigem Neid, wie sich andere Camper vor ihrem Zelt auf dem offenen Feuer etwas Einfaches brutzeln. Aber immerhin haben wir hier erstmals "Warthog" (Warzenschwein) kosten können.

Um sechs Uhr ist es dunkel und bald danach wird es unangenehm kalt. Aus diesem Grund ziehen wir uns gegen acht Uhr ins Zelt zurück, und wenig später bin ich bereits eingeschlafen. Als Bärbel ein merkwürdiges Rascheln an der Zeltplane wahrnimmt, verlässt sie das Zelt, um nachzusehen – und sieht sich im Schein der Taschenlampe einem Schabrackenschakal gegenüber! Aus dem Reiseführer wissen wir, dass diese Tiere nachts über den Campingplatz streifen, um – angelockt durch Gerüche jedweder Art – Nahrung aufzuspüren. Also verstauen wir alles, was riechen könnte, im Auto – einschließlich der Kulturtaschen mit der Zahnpasta.

In der Nacht werde ich mehrmals wach, ein Blick auf das Thermometer zeigt 5 Grad Celsius. Das ist gut auszuhalten, da wir uns nach dem Zwiebelschalenprinzip vermummt haben.

 

21.08.2003

Um 6:30 Uhr frühstücken wir vor dem Zelt, danach geht es wieder hinaus zur Tierbeobachtung. Diesmal steuern wir andere Wasserlöcher an, und in Halali legen wir eine Kaffeepause ein. Unerwarteterweise sehen wir heute deutlich weniger Tiere als am Tag zuvor. Vor dem Rückweg unternehmen wir noch eine Exkursion über den 31 km langen "Rhino Drive" in der Hoffnung auf die Begegnung mit einem Nashorn. Auf der ganzen Strecke begegnen wir aber nicht nur keinem Nashorn, sondern auch keinem einzigen anderen Auto. Es gibt kein Handy-Netz, und das Auto darf aus gutem Grunde nicht verlassen werden – dies weniger, weil es verboten wäre, sondern vielmehr, weil man in dem buschreichen Gelände einen sich anschleichenden Löwen oder ein wütend herantrabendes Nashorn mit Sicherheit zu spät bemerken würde! Was macht man da im Falle einer Panne?

Ziemlich spät treten wir schließlich den Rückweg an, und 5 Minuten vor Toresschluss erreichen wir in der Dämmerung das Okaukuejo Resort. Hier besteigen wir den auf dem Gelände stehenden Aussichtsturm und genießen den Sonnenuntergang über der Etosha. Vor dem Zelt verspeisen wir dann eine Dose "Chakalaka", ein traditionelles Gemüsegericht aus Südafrika – scharf und lecker. Ich werde es zuhause in Deutschland mehrfach nachkochen.

Als ich nachts das Toilettenhaus aufsuche, begegne ich tatsächlich einem halben Dutzend Schabrackenschakale.

 

22.08.2003

Unmittelbar neben dem Gelände des Okaukuejo Resorts und von diesem nur durch eine Mauer getrennt gibt es ein nachts beleuchtetes Wasserloch, und wir wollen Okaukuejo nicht verlassen, ohne dieses wenigstens einmal aufgesucht zu haben. Dazu stehen wir heute bereits kurz nach fünf Uhr auf und gehen zum Wasserloch hinüber. In der Morgendämmerung tauchen nacheinander eine Gruppe Springböcke, einzelne Oryx-Antilopen und einige Kudus auf. Auch eine große Schar Perlhühner (es mögen über hundert sein) sucht das Wasserloch zum Trinken auf. Weitere Tiere zeigen sich indes nicht. Von anderen Reisenden erfahren wir später, dass wir hier jeden Abend Nashörner hätten beobachten können, die sich zuverlässig kurz nach 21 Uhr einfinden. Das hätten wir vorher wissen müssen!

Nach dem Frühstück vor dem Zelt bauen wir dieses ab und brechen Richtung Süden auf. Unser heutiges Ziel ist Khorixas; wir verlassen den Etosha Nationalpark durch das Anderson Gate und fahren zunächst durch das Damaraland Richtung Südosten bis Outjo. Die Route knickt hier nach Westen ab, und wir unternehmen einen Abstecher zur "Vingerklip", einem berühmten Felsfinger von 35 Metern Höhe, bekommen ihn aber nur aus der Ferne zu sehen. Die Vingerklip ist das Überbleibsel eines von der Erosion bearbeiteten Tafelberges; die "Ugap-Terrassen" in der Umgebung, ebenfalls Tafelberge, erinnern mich entfernt an jene im "Monument Valley" in den USA.

Unterwegs begegnen wir einer Damara-Familie auf ihrem typischen Eselskarren. Ich halte an und bitte darum, sie fotografieren zu dürfen; dafür drücke ich ihnen 20 N$ in die Hand. Ich denke, das ist ein moralisch vertretbarer Deal, von dem alle Beteiligten profitieren.

Am Nachmittag erreichen wir Khorixas, die Verwaltungshauptstadt des Damaralandes – ein ziemlich trostloses Städtchen.

Vor dem "Supermarket", in dem wir unsere Vorräte auffüllen wollen, sitzt neben einem Huhn eine höchstens 17-jährige Schwarze und stillt ihr Baby. Im Laden ist es eng und düster, er bietet eine nur minimale Auswahl an Lebensmitteln und weiteren Dingen des täglichen Bedarfs. Während ich mich in das (für mich ein wenig unheimliche) Gedränge zwischen all den Schwarzen begebe, wartet Bärbel derweil draußen im verschlossenen Auto.

An der Tankstelle verwickeln uns zwei Männer in aufdringlicher Weise in ein Gespräch, sie erkundigen sich nach unseren Namen und denen unserer Mütter(!) und tischen uns mitleiderregende Geschichten aus ihrer eigenen Familie auf. Sie bieten – durchaus hübsche! – Handarbeiten aus Dattelpalmenfrüchten an und drängen uns, ihnen diese abzukaufen, was wir aber nicht tun – vielleicht ein Fehler in Anbetracht der anzunehmenden Not dieser Menschen. Schließlich sagen sie, sie hätten Hunger, und wir geben ihnen etwas zu essen.

Danach fahren wir zu unserer etwas außerhalb gelegenen, von Deutschland aus für zwei Nächte vorgebuchten Unterkunft, dem "Khorixas Rest Camp", wo wir nach einem erfrischenden Bad im Pool auf der Terrasse des Restaurants Platz finden und ein hervorragendes Game-Steak vom Holzkohlengrill genießen.

 

23.08.2003

Für den heutigen Tag haben wir einen Ausflug zu zwei attraktiven Zielen in der Umgebung geplant: die Felsgravuren bei Twyfelfontein und die versteinerten Baumstämme im "Petrified Forest".

Die Route durch das hügelige Damaraland führt durch herrliche, abwechslungsreiche Landschaft; gelegentlich sehen wir Siedlungen aus einfachen Lehmhütten, und einmal einen verwaisten Verkaufsstand mit "Crafts" (Handarbeiten), bei dem die Dächer verunglückter Autos als Tische dienen. Die Piste weist immer wieder tiefe, V-förmige Einschnitte quer zur Fahrtrichtung auf: die sogenannten "Riviere", trockene Flussbetten, die sich während der Regenzeit für kurze Zeit in reißende Ströme verwandeln und dann mit einem Auto wie dem unseren nicht passiert werden könnten. Der Dung am Rand der Piste muss von großen Tieren (Elefanten oder Nashörnern) stammen – zu sehen bekommen wir sie leider nicht.

Unterwegs passieren wir zwei weitere Sehenswürdigkeiten: Der "verbrannte Berg" entpuppt sich allerdings als schwärzlicher Hügel, der wohl nur Geologen in echte Begeisterung versetzen kann, und die "Orgelpfeifen" lassen wir von vornherein links liegen – wir haben größere derartige Basaltformationen schon in der Vulkaneifel gesehen.

Schließlich erreichen wir Twyfelfontein.

Twyfelfontein ist eine der weltweit bedeutendsten Fundstätten künstlerischer Felsgravuren, und mit mehr als 2000 erfassten Motiven auch eine der umfangreichsten. Über das Alter der Bildwerke gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse, Schätzungen reichen von 1000 bis 10000 Jahre. Die Tierdarstellungen wurden in Sandsteinplatten geritzt, die sich oberhalb eines malerischen Tales im felsigen Hang befinden. Wer sie besichtigen will, muss an einer Baracke im Tal für 45 N$ einen einheimischen Guide anheuern und sich von diesem durch den Hang führen lassen.

Unser Guide ist ein junger Mann namens "Gerson", er stammt aus dem 90 km entfernten Khorixas und lebt während der Arbeit als Guide auf einer Lodge in der Nähe von Twyfelfontein. Außer mehreren Stammessprachen spricht er fließend Englisch und ist auch sonst überaus kompetent: So kennt er die wissenschaftlichen Namen der hier wachsenden Pflanzen und kann uns deren Heil- (oder Gift-)wirkung beschreiben – ein uraltes Wissen, von dem die Angehörigen des Damara-Volkes noch heute profitieren. Soweit sie bekannt ist, erklärt er uns die Bedeutung der Felsgravuren, die vermutlich der Unterrichtung von Jägern über die zu jagenden Tiere dienten. Eine berühmte Elefantendarstellung ("Big Elephant") nennt er schmunzelnd den "Ottifanten", und es stellt sich heraus, dass man im fernen Afrika Otto Waalkes aus dem Satellitenfernsehen kennt – unfassbar!

Am Ende der hochinteressanten einstündigen Tour verabschiedet sich Gerson – sehr zum Erstaunen seiner Guide-Kollegen – mit einem traditionellen Händedruck, einer explizit freundschaftlichen Geste! Aber er hatte mit uns ja auch ein wissbegieriges und dankbares Publikum. Bevor wir Twyfelfontein verlassen, kaufen wir an einem Souvenirstand von einer Himba-Frau für 75 N$ noch eine traditionelle Schmuckkette mit Himba-Puppe und Perlhühnern aus Nussschalen.

Auf seine Bitte hin nehmen wir einen anderen Guide zu seiner Lehmhütten-Siedlung mit, danach fahren wir zum "Petrified Forest" ("versteinerter Wald"), einem Areal, auf dem verstreut versteinerte Baumstämme liegen. Auch hier müssen wir einen Guide anheuern, und es ist uns ganz recht, als die "Short Tour", die wir buchen, bereits nach 20 Minuten beendet ist – wir sind mit Eindrücken gesättigt.

Eine junge Schwarze namens "Gisela"(!) bittet uns, nach Khorixas mitgenommen zu werden, was wir gerne tun. Unterwegs haben wir eine aufschlussreiche Unterhaltung über das Zusammenleben der weißen und schwarzen Bevölkerung im seit 1990 unabhängigen und von Schwarzen regierten Namibia, dem ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika": Es ist noch immer geprägt von extremen sozialen und wirtschaftlichen Gegensätzen – natürlich zum Nachteil der Schwarzen.

Nachdem wir Gisela in Khorixas vor ihrer Haustür abgesetzt haben, fahren wir zu unserem Rest Camp, nehmen noch ein Bad im Pool, und beenden diesen schönen Tag bei einem leckeren Essen im Restaurant.

 

24.08.2003

Unser heutiges Ziel ist der nur 120 km entfernte Brandberg, für dessen Besuch wir uns aber ausreichend Zeit nehmen wollen. Für die Übernachtung haben wir das Städtchen Uis vorgesehen und von Khorixas aus auch schon im dortigen "Brandberg Restcamp" eine Unterkunft gebucht.

Unterwegs im trockenen Ugab-Tal kommen wir mehrfach an einfachen Verkaufsständen vorbei, an denen Frauen Mineralien oder Crafts feilbieten. An einem dieser Stände halten wir an, eine Frau sitzt hier mit ihren beiden Kindern im nur spärlichen Schatten einer aus Ästen lose zusammengefügten Hütte und näht Stoffpuppen. Diese tragen (wie sie selbst) eine Tracht, die an die der Hereros erinnert, aber bei weitem nicht deren Prunk besitzt. Wir kaufen eine dieser hübschen Puppen als Andenken und schenken den beiden Kindern Äpfel und Bonbons. Als diese um Wasser bitten, können wir ihnen wegen zu knapper eigener Vorräte nur einen halben Liter geben, und wir beschließen, künftig Wasser und Äpfel immer in mehr als ausreichender Menge mitzuführen.

Am späten Vormittag taucht das imposante Brandbergmassiv vor uns auf, das sich abrupt aus der Halbwüste erhebt.

Mit dem 2573 m hohen Hauptgipfel "Königsstein" ist das Brandbergmassiv die höchste Erhebung Namibias. In den Felsen dieses Gebirgsmassivs fand man an 900 Fundstellen 45000 figürliche Felszeichnungen, damit beherbergt der Brandberg eines der größten Felsbildvorkommen der Welt. Die für Touristen zugängliche Hauptattraktion ist eine Gruppe von Menschen und Tieren, darunter die Darstellung eines – wie man heute annimmt – Schamanen, der zum Zeitpunkt seiner Entdeckung wegen der weißen Farbe und in Verkennung seines wahren Geschlechts "White Lady" genannt wurde.

Gegen Mittag erreichen wir einen Parkplatz am Fuße des Brandbergs; hier beginnt die geführte Wanderung zur legendären Felszeichnung "White Lady".

An einer Hütte bemerken wir eine Tafel mit einem Text, der offenbar in einer der lokalen Stammessprachen verfasst ist. Interessanterweise gibt es hier – zusätzlich zu den sonst verwendeten lateinischen Buchstaben – spezielle Zeichen (‡, |, || und !) für die Notation der charakteristischen "Klicklaute", die Bestandteil der Stammessprachen sind und uns bei den schwarzen Eingeborenen schon mehrfach aufgefallen sind.

Wir schließen uns mit einem jüngeren Pärchen aus Belgien zusammen und folgen zu Viert einem Guide, der uns in einem für unser Empfinden unangemessenen Tempo durch diese herrliche Landschaft hetzt. Der Wanderpfad durch die Tsisab-Schlucht führt zunächst durch ein ebenes Tal, überquert später ein trockenes Flussbett, steigt dann zwischen Felsen zunehmend steiler werdend an und endet schließlich an einer Felsgrotte mit der "White Lady". Zum Schutz der kostbaren Kunstwerke ist die Grotte mit einem Eisengitter gesichert. Unterwegs haben wir die farbenprächtige Namibische Felsenagame (eine quietschbunte Echsenart) beobachten können, und intensiver Raubkatzengeruch ist ein untrüglicher Hinweis auf die Anwesenheit – freilich im Verborgenen bleibender – Leoparden oder Geparde.

Die Wanderung zur "White Lady" lohnt sich nicht nur ihres Zieles, sondern auch der großartigen Landschaft wegen; sie darf aber nicht unterschätzt werden: Man sollte zwei Stunden Zeit einkalkulieren und mit festen Wanderstiefeln, ausreichend Trinkwasser und angemessener Kondition ausgestattet sein. Dass wir nicht die einzigen waren, denen der Guide ein zu hohes Tempo vorlegte, kann man übrigens hier (http://www.namibia2003.de/html/khorixas.html) nachlesen.

Am späten Nachmittag machen wir noch einen Ausflug und folgen ein Stück dem "Welwitschia-Highway" südlich des Brandberges. Durch die ebene Wüste sehen wir im Abendlicht Strauße ziehen, auch einige Rotschopftrappen streifen umher. Der Boden rechts und links der Piste ist übersät mit Exemplaren einer endemischen Aloen-Art, die teilweise in Hexenkreisen angeordnet sind. Die Hoffnung, hier Welwitschias zu entdecken, erfüllt sich leider nicht (allerdings werden wir diese absonderlichen Pflanzen später in großer Zahl bei Swakopmund zu sehen bekommen), und die Beschaffenheit der zunehmend weichsandiger werdenden Piste zwingt uns schließlich zur Umkehr.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir in Uis das von Khorixas aus vorgebuchte "Brandberg Rest Camp", in dem die Gäste originellerweise in ehemaligen Bergarbeiterwohnungen untergebracht werden. Als man uns an der Rezeption vor einigen zwielichtigen Gestalten warnt, die vor dem Gebäude herumlungern, nehmen wir die angebotene Wohnung etwas genauer unter die Lupe und müssen feststellen, dass diese nicht nur ziemlich ungemütlich, sondern auch völlig unzureichend gegen Einbruch gesichert ist: Die Terrassentür wurde unfachmännisch zugeschweißt, und das hohe Gittertor, das den Abstellplatz des Autos sichern soll, grenzt an eine Mauer, die mühelos überwunden werden kann – hier werden wir auf keinen Fall bleiben! Wir machen uns sofort auf die Suche nach einer Alternative, aber die wenigen weiteren Herbergen in Uis sind alle belegt. Schließlich bietet uns der hilfsbereite Inhaber des "B&B White Lady" das derzeit leerstehende Privathaus seines "Opas" an, zu dem er uns mit seinem Motorrad eskortiert. Nachdem wir uns dort eingerichtet haben, suchen wir zum Essen das Restaurant "White Lady" auf, danach kehren wir in völliger Dunkelheit durch ausgestorbene Straßen zu "Opas Häuschen" zurück. Hier fühlen wir uns sicher – alle Fenster des Hauses sind mit stabilen Eisengittern versperrt. Gerade noch rechtzeitig füllen wir Wasser in bereitstehende Eimer ab – in Uis steht Leitungswasser nur morgens und abends für jeweils wenige Stunden zur Verfügung.

 

25.08.2003

Wir frühstücken auf dem Gelände des "B&B White Lady" an einer Bar unter einem Reetdach. Dabei unterhalten wir uns mit "Selma", einer jungen Schwarzen, die das Frühstück für uns zubereitet. Sie ist Witwe und lebt mit ihrem zweijährigen Sohn in Uis. Zwar weiß sie von der berühmten "White Lady" am nur 30 km entfernten Brandberg, war aber noch nie dort. Sie hat auch noch nie einen Elefanten gesehen, obwohl sie weiß, dass es die in ihrer Heimat gibt. Wir geben ihr etwas Geld für ihr Kind und erhalten ihre Adresse.

An der Tankstelle in Uis wollen uns einige junge Schwarze Mineralien verkaufen, wir sind jedoch nicht interessiert. Schließlich bitten sie uns um irgendetwas Essbares – und seien es Lebensmittelreste. Daraufhin gehe ich mit einem von ihnen in den benachbarten Supermarkt und kaufe für sie Brot und Butter. Als die weiße Kassiererin dies missbilligend kommentiert ("They're merely too lazy to work!"), frage ich sie, ob die jungen Männer denn Arbeit fänden, wenn sie wollten – eine befriedigende Antwort hat sie darauf freilich nicht.

Unser eigentliches Tagesziel ist Swakopmund an der Atlantikküste, wir wollen aber noch einen Abstecher zur "Spitzkoppe" unternehmen, die man nur über eine ca. 100 km lange einsame Nebenstrecke erreicht. Davor ist uns ein wenig bang, denn in dieser Gegend ist im Jahr zuvor eine deutsche Touristin bei einem Raubüberfall ermordet worden. (Natürlich bedeutet das nicht, dass wir auf diesem Streckenabschnitt gefährdeter wären, als auf irgendeiner anderen einsamen Route, aber ein mulmiges Gefühl beschleicht uns dennoch.) Glücklicherweise lernen wir auf dem Gelände des B&B ein französisches Pärchen kennen, das ebenfalls zur Spitzkoppe will und auf unseren Vorschlag, einen Konvoi zu bilden, gerne eingeht. (Die beiden hatten am Vortag gleich zweimal eine Reifenpanne, aber nur einen Reservereifen, und mussten dann in einsamer Gegend stundenlang auf das nächste Auto warten.) Zu Viert machen wir uns auf den Weg.

Nach kurzer Fahrt über die Gravel Road taucht die Spitzkoppe, ein markant konturierter Inselberg aus Granit (das "Matterhorn Namibias") am Horizont über der weiten Ebene auf. Am frühen Nachmittag haben wir sie erreicht und machen uns zu Fuß auf Erkundungstour. Wir wandern zunächst eine Weile am Fuße des Granitmassivs entlang, dann steigen wir bei sengender Hitze, uns an einer Eisenkette festhaltend, eine steil geneigte Granitfläche hinauf. Wir erreichen so natürlich nicht den Gipfel, immerhin aber eine hochgelegene Terrasse namens "Bushman Paradise", die wegen der hier gefundenen Felszeichnungen von einiger Bedeutung ist. Auf einer vegetationsfreien Felskuppe, umgeben von riesigen bizarren Granitkugeln, genießen wir die fantastische Aussicht in die umliegende Ebene. Dann steigen wir hinab und wandern zurück zum Auto.

Schon bald kommen wir an einer Siedlung aus einfachen Hütten vorbei. An einer Steinmauer prangt ein farbenfrohes, plakatives Wandgemälde, das offenbar für die AIDS-Prophylaxe werben soll – es wird das einzige Mal bleiben, dass wir mit dem für Namibia wie für ganz Afrika so relevanten Thema AIDS in Berührung kommen.

Als ich an einem Mineralienstand für ein Foto anhalte, kommen zwei schwarze Kinder herbeigelaufen und bitten um etwas Essbares ("I'm hungry") und um Schuhe (der Ältere zeigt mir seine in Fetzen aufgelösten Schuhe). Leider haben wir nur noch einige Kekse, die die Kinder strahlend entgegennehmen, und bedrückt setzen wir die Fahrt fort.

Nach wenigen Kilometern Gravel Road erreichen wir die B2, eine breite und verkehrsreiche Asphaltstraße Richtung Swakopmund. Der Charakter der Landschaft und auch das Wetter ändern sich abrupt: Die Straße führt bald schnurgerade durch vollkommen ebene Kieswüste (die Namib), und vom Atlantik her zieht uns zunehmend dichter werdender Nebel entgegen.

Am frühen Abend erreichen wir Swakopmund und quartieren uns im "Hotel d'Avignon" ein, in dem wir bereits von Khorixas aus zwei Nächte vorgebucht haben. Die Pensionswirtin, eine freundliche alte Dame, aus Deutschland stammend und seit 1960 in Namibia, empfiehlt uns das Seafood Restaurant "Kückis Pub", wo wir den Tag bei einem vorzüglichen Fischgericht ausklingen lassen.

 

26.08.2003

Vormittags unternehmen wir einen Stadtbummel durch Swakopmund und erledigen die notwendigen Einkäufe.

Swakopmund ist nach Windhoek die zweitgrößte Stadt Namibias und besonders stark geprägt durch die Kolonialgeschichte des ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika", auffällig erkennbar an der Architektur der Stadthäuser (Beispiel "Hohenzollernhaus") und den Namen von Straßen ("Kaiser Wilhelm Straße") und Hotels ("Hotel-Pension Deutsches Haus"). Das im Vergleich zum übrigen Namibia atypische Klima (kühl und oft neblig) ist ein weiterer Grund, warum man hier eher in einem deutschen Nordseebad zu sein glaubt als im südlichen Afrika.

Auf Schritt und Tritt begegnen wir den Zeugnissen der deutschen Kolonialgeschichte: In einigen Schaufenstern liegen befremdliche Devotionalia aus Kolonialzeiten aus (besonders abstoßend: ein mit der deutschen Reichskriegsflagge bemaltes Straußenei), und es überrascht uns kaum, dass in den Straßencafés Schwarzwälder Kirschtorte angeboten wird. Auch hier sind die Präventivmaßnahmen gegen die offenbar verbreitete Kriminalität allgegenwärtig: Die Türen der meisten Geschäfte sind mit verriegelten Eisengittern gesichert, und natürlich werden Bankeingänge und Geldautomaten von Uniformierten bewacht. Die "Allgemeine Zeitung" titelt heute "Raub und Mord in Swakopmund" und bilanziert das vergangene Wochenende bezüglich der Opfer unter den Touristen wie folgt: 1 Mord, 1 Raub, 1 Vergewaltigung.

All dies führt dazu, dass wir uns in dieser – zweifellos interessanten und sehenswerten – Stadt nicht übermäßig wohl fühlen. Weil der ursprünglich geplante Ausflug zur Robben-Kolonie bei Cape Cross aber einen weiteren Tag Aufenthalt in Swakopmund bedeuten würde, und weil dadurch außerdem unsere weitere Planung infrage gestellt würde, beschließen wir, auf die Robbenkolonie zu verzichten und am folgenden Tag weiterzufahren.

Für heute Nachmittag haben wir uns eine Exkursion über den "Welwitschia Drive" außerhalb von Swakopmund vorgenommen. Wir erwerben im Büro "Namib-Info" für 60 N$ das erforderliche Permit und machen uns um die Mittagszeit auf den Weg. Nachdem wir Swakopmund in östlicher Richtung über eine Asphaltstraße verlassen haben, biegen wir nach ca. 50 km auf eine in die Namib führende Gravel Road ab und sind bald von hügeliger Kieswüste umgeben. Entlang der Piste sind hin und wieder Tafeln aufgestellt, die über die besondere (und besonders schützenswerte) Flechtenflora der Wüste informieren. Nach einer Weile erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem sich ein atemberaubender Blick auf eine faszinierende Geländeformation mit dem zutreffenden Namen "Mondlandschaft" bietet. Nachdem wir einen Einschnitt durch eine Hügelkette mit schwärzlichen Dolorit-Adern passiert haben, tauchen am Rande der Piste die ersten Welwitschias auf.

Die "Welwitschia Mirabilis" ist benannt nach ihrem Entdecker, dem österreichischen Botaniker Welwitsch, der sie "wunderbarst" (lat. "mirabilis") fand. Sie ist eine zweigeschlechtliche Sukkulente, die außer den Keimblättern nur zwei bis zu 8 m lange, ledrige Blätter ausbildet, die aber durch Witterungseinflüsse stark zerfransen und ihr dadurch das charakteristische Aussehen geben. Die Welwitschia ist endemisch für einen schmalen Streifen Namibias und Süd-Angolas, sie kann in Einzelfällen über tausend Jahre alt werden und steht selbstverständlich unter Naturschutz.

Schließlich erreichen wir die berühmte Riesenwelwitschia, deren Alter auf über 1500 Jahre geschätzt wird. Die mächtige (etwa mannshohe) Pflanze ist eine botanische Rarität ersten Ranges und daher mit einem Zaun geschützt. Der Anblick dieses uralten lebenden Fossils ist in der Tat Ehrfurcht gebietend. Am späten Nachmittag treten wir die Rückfahrt an, und zurück im Hotel bemerken wir, dass wir irgendwo auf der Schotterpiste eines unserer Nummernschilder verloren haben.

Zum Essen wollen wir den nahen "Europa-Hof" aufsuchen. Da es uns in der Dämmerung nicht geheuer ist, zu Fuß durch Swakopmund zu spazieren, fahren wir die 300 Meter mit dem Auto, welches dann auf dem Parkstreifen vor dem Hotel von einem bewaffneten Car Guard bewacht wird. Wir bestellen "Wüste und Meer" (Oryx-Steak, Calamari und Garnele) – sehr lecker!

 

27.08.2003

Die Dünen der Namib-Wüste bei Sesriem sind unser nächstes Ziel. Da wir uns die insgesamt zwar nur 330 km lange, ab Walfis Bay aber ausschließlich über Gravel Roads führende Strecke nicht an einem Tag zumuten wollen, entscheiden wir uns für einen Zwischenstopp in Solitaire nördlich von Sesriem, und buchen dort eine Übernachtung in der "Solitaire Guest Farm".

Die Fahrt durch die nahezu vegetationslose Kieswüste am Nordrand des Namib-Naukluft Nationalparks ist trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer Kargheit ein faszinierendes Erlebnis. Am "Vogelfederberg", einem riesigen monolithischen Gesteinsbrocken, machen wir eine Pause und genießen die großartige Aussicht über die in der Hitze flirrende, endlose Wüste. Bald wird die Landschaft immer abwechslungsreicher. Am Kuiseb-Pass bekommen wir zum ersten Male Köcherbäume zu sehen, und nachdem wir die bizarr zerklüfteten Felsen am Kuiseb-Canyon hinter uns gelassen haben, sind wir unvermittelt von sanft hügeliger Savanne umgeben. Durch das niedrige, um diese Jahreszeit leuchtend gelbe Gras ziehen Strauße; auch ein Oryx und einige Springböcke sind zu sehen. In einem trockenen Flusstal beobachten wir einen Pavian, und einmal machen wir in der Ferne sogar einige Kamele aus – oder war das eine Fata Morgana?

Am späten Nachmittag erreichen wir die "Solitaire Guest Farm". Diese liegt 6 km nördlich des Ortes Solitaire abseits der Piste in einer malerischen Ebene vor einer Bergkette. Wir beziehen unser hübsch eingerichtetes Zimmer und plaudern bei einem Begrüßungsdrink mit unseren sympathischen Gastgebern. Am Abend machen wir uns in Begleitung eines Gastes aus Südafrika zu einem felsigen Hügel auf, der auf dem Farmgelände aus der Ebene aufragt und gute Aussichten auf Tierbeobachtung verspricht. Zwar bekommen wir keine Tiere zu sehen, werden aber mit einem prachtvollen Sonnenuntergang entschädigt, begleitet vom lautstarken Abendkonzert der "Barking Geckos" (Schnalzgeckos, wörtlich: "bellende Geckos"). Gemeinsam mit vier weiteren Gästen genießen wir dann im gemütlichen Speisezimmer unserer Gastgeber einen schmackhaften Springbock-Auflauf und tauschen Reiseerlebnisse aus.

Da der Strom-Generator abends seinen Betrieb einstellt, lassen wir diesen schönen Tag bei Kerzenlicht ausklingen.

 

28.08.2003

Solitaire besteht aus nur wenigen Häusern, sowie einer Tankstelle mit angegliedertem Andenkenshop. Hier erwerben wir nach dem Tanken zwei hübsche hölzerne Perlhuhnfiguren, bevor wir über die Gravel Road nach Süden aufbrechen.

Um die Mittagszeit erreichen wir Sesriem.

Hier gibt es keinen Ort im eigentlichen Sinne, sondern ein staatliches Rest Camp (in dem wir unsere Campsite von Deutschland aus vorgebucht haben), eine sündhaft teure Lodge (Doppelzimmer knapp 2000 N$, ca. 500 Euro), sowie eine Tankstelle und einen Kiosk. Unsere von einem niedrigen Mäuerchen umgebene Campsite bietet wie alle anderen Platz für bis zu 8 Zelte (den wir nun für uns allein haben), und eine mächtige Kameldorn-Akazie spendet Schatten zum Schutz vor der sengenden Sonne. Nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben, erwerben wir in der Lodge ein Säckchen Eis zur Kühlung unserer Vorräte – zum stolzen Preis von 30 N$!

Sesriem ist der Ausgangspunkt für Fahrten zu den Vleis (allen voran das Sossusvlei), den für diesen Teil der Namib-Wüse charakteristischen Lehmpfannen, die mit den umliegenden Sanddünen ein faszinierendes Landschaftsbild bieten.

In Sesriem gibt es zwei Gates. Das "innere" Gate trennt den Campingplatz von der Piste, die in die Dünen und zum Sossusvlei führt. Dieses Gate öffnet um 5 Uhr morgens, so dass das 65 km entfernte Sossusvlei vor Sonnenaufgang erreicht werden kann, wenn man sehr zügig fährt (und pünktlich um 5 Uhr in der Schlange vor dem Gate möglichst weit vorn steht). Das "äußere" Gate bildet den Eingang zum Campingplatz, den man – von außen kommend – auf dem Weg zum Sossusvlei zunächst durchqueren muss, um das innere Gate zu erreichen. Die Sossusvlei Lodge befindet sich vor diesem Eingang. Dieses Gate öffnet aber erst um 7 Uhr (also lange nach Sonnenaufgang), so dass die Gäste der Lodge nicht ohne weiteren Umstand rechtzeitig zum Sonnenaufgang zum Sossusvlei gelangen können. Entsprechendes gilt für den Sonnenuntergang: Das "innere" Gate schließt 45 Minuten nach Sonnenuntergang, so dass man es nach der abendlichen Fotosession in den Dünen gerade noch schafft, beim Campingplatz eingelassen zu werden, während das "äußere" Gate längst geschlossen ist.

Am frühen Nachmittag passieren wir das innere Gate Richtung Sossusvlei. Die Piste dahinter ist übersät mit tiefen Schlaglöchern, bei entsprechender Fahrweise ist sie aber auch mit einem normalen PKW ohne weiteres zu bewältigen. Nach einer Weile tauchen beiderseits der Piste die riesigen roten Dünen der Namib-Wüste auf. Als besonderes Highlight gilt vielen die gigantische "Düne 45" (die Dünen sind hier durchnummeriert), die wir aber bewusst links liegen lassen, um rechtzeitig zum Sonnenuntergang die Vleis zu erreichen. An einem Parkplatz endet der mit unserem Auto befahrbare Teil der Piste – eine Weiterfahrt zum Sossusvlei ist nur mit Allrad-Fahrzeugen möglich. Wir stellen unser Auto hier ab und wandern ohne ein bestimmtes Ziel in die Dünen hinein; in größeren Abständen im Sand steckende Holzstangen markieren einen Wanderpfad zum "Hidden Vlei". Wir erklimmen einige Dünenkronen, von hier bieten sich uns atemberaubende Ausblicke über die Dünenlandschaft, die sich mit der zunehmend tiefer stehenden Sonne von zarten Rosatönen bis zu einem dunkel leuchtenden Ocker verfärbt. Dann wird es sehr schnell dunkel (und damit auch kalt) und wir kehren zum Auto zurück. Nachdem ich (der Fotograf) natürlich bis zum letzten Sonnenstrahl ausharren wollte, müssen wir nun in bald völliger Dunkelheit über die Schlaglochpiste jagen, um noch vor Toresschluss das Gate zum Campingplatz zu erreichen, was uns – knapp! – gelingt.

Zum Abendessen gibt es eine Dose Chakalaka mit Meatballs. Vor dem Schlafengehen schmieren wir noch Brote und packen den Rucksack für den folgenden Tag, an dem wir den Sonnenaufgang am Sossusvlei erleben wollen, und stellen den Wecker auf 4:30 Uhr.

 

29.08.2003

Pünktlich um fünf Uhr in der Frühe stehen wir vor dem Gate, wenig später öffnet sich der Schlagbaum. Unser PKW wird registriert, und nachdem wir das erforderliche Permit erworben haben, beginnt die Fahrt über die Schlaglochpiste in völliger Finsternis. Kurz vor sechs erreichen wir im Morgengrauen den Parkplatz am Beginn der Sandpiste, wo wir eines der dort bereitstehenden Shuttles besteigen und uns zum Startpunkt der Wanderung zum "Dead Vlei" bringen lassen.

Es ist empfindlich kalt, und wir wandern, dick in Fliesjacke und Anorak eingepackt, bibbernd in die Dünenlandschaft hinein. Noch ist die Sonne nicht aufgegangen, und der Himmel zeigt sich in fahlen Violetttönen. Als wir das Dead Vlei erreichen, werden die Dünen von den ersten Sonnenstrahlen mit einem cremefarbenen Licht überzogen, das die glatten Lehmflächen der Vleis silbrig widerspiegeln. Leider ist der Zauber eines Tagesanbruchs in der Namib schnell verflogen. Mit der steigenden Sonne wird es bald wärmer, und wir können uns nach und nach von unseren "Zwiebelschalen" befreien, bis wir schließlich sogar im offenen Hemd weiter wandern können. Unterwegs sehen wir einige Strauße und Springböcke, auch eine Oryx-Antilope hat sich hierher gewagt; und einmal bekomme ich eine der seltenen Rüppeltrappen vor die Linse.

Am späten Vormittag erreichen wir das Sossusvlei, wo wir noch ein wenig verweilen, ein Shuttle bringt uns dann zurück zu unserem Auto, und um die Mittagszeit sind wir wieder an unserer Campsite angekommen. Wir sind nun seit sieben Stunden auf den Beinen, und erschöpft gönnen wir uns einige Stunden Ruhe im (leider nur dürftigen) Schatten "unserer" Kameldorn-Akazie.

Nachmittags fahren wir dann zum nur 5 km entfernten Sesriem-Canyon, einer von schroffen Felsen umgebenen, tief eingeschnittenen Schlucht, die sich urplötzlich im sonst eher ebenen Gelände auftut. Vorbei an bizarren Felstürmen durchwandern wir den Grund des Canyons, bis er sich zu einem breiter werdenden Tal öffnet, und kehren dann zurück. Dem strengen Geruch nach sind Großkatzen in der Nähe, wir sind aber nicht traurig, ihnen hier nicht zu begegnen.

Am Abend lassen wir uns dann an einem Lagerfeuerchen, das ich in einem gemauerten Grill auf unserer Campsite entfache, scharfes "Chicken Peri-Peri" aus der Dose schmecken.

 

30.08.2003

Wir verlassen Sesriem auf einer Gravel Road Richtung Süden und können einen letzten Blick auf die roten Ausläufer der Dünen-Namib werfen. In der weiten Ebene, die wir nun durchqueren, äst eine einsame Oryx-Antilope im niedrigen Gras, und hin und wieder sehen wir graue Greifvögel mit auffällig rotem Schnabel, die wir mithilfe unseres Reisehandbuches als "Weißbürzel-Singhabichte" bestimmen können. Die Route führt bald durch das Namib Rand Nature Reserve, eine höchst abwechslungsreiche, hügelige Landschaft mit niedriger Steppe und rostfarbenen Geröllfeldern vor einer wunderbar wilden Bergkulisse. Riesige Nester von Siedelwebern hängen in den (wenigen) Bäumen, einige davon übertreffen bei Weitem die Größe unseres Autos!

An einem in der Karte nicht eingezeichneten Rest Camp legen wir eine Pause ein. Während wir unseren Kaffee schlürfen, haben wir die Gelegenheit, drei junge Schwarze zu belauschen, die sich an einer Telefonzelle angeregt in ihrer an merkwürdigen Klick- und Schnalzlauten offenbar reichen Stammessprache unterhalten.

Nachmittags erreichen wir Helmeringhausen. Der Ort besteht im Wesentlichen (zumindest scheint es so) aus einer Autowerkstatt mit Tankstelle, sowie dem "Hotel Helmeringhausen", in dem wir unser Zimmer bereits von Solitaire aus vorgebucht haben. Völlig unerwartet finden wir eine ausgesprochen adrette Anlage mit hübsch eingerichteten Zimmern vor, und die Hotelwirtin, eine junge Weiße, würde in ihrer betont modernen Aufmachung eher in eine europäische Großstadt passen als in dieses verlorene Nest in der Wüste. Zur Begrüßung serviert sie uns Tee mit "Appeltart", den wir auf einer gemütlichen Terrasse unter einer Pergola sitzend zu uns nehmen. Abends gibt es dann im geschmackvoll eingerichteten Speiseraum ein reichhaltiges Dinner: ein vorzügliches Kudu-Hacksteak im Kohlmantel, dazu Gemüse und weitere Beilagen vom Buffet.

 

31.08.2003

Beim Tanken neben der Autowerkstatt kommen wir mit dem weißen, sehr gut deutsch sprechenden Betreiber ins Gespräch. Uns interessiert besonders, wie in verlassenen Gegenden wie dieser (der nächste größere Ort, Keetmannshoop, ist 200 km entfernt) den Kindern der Schulbesuch ermöglicht werden kann – in Namibia herrscht Schulpflicht! Hierzu erfahren wir: Gegen eine geringe Gebühr wird den Kindern trimesterweise der Aufenthalt inklusive Verpflegung in den internatartigen Schulen angeboten. Die meisten hierfür infrage kommenden schwarzen Kinder sind die der Farmarbeiter. Aber obwohl viele weiße Farmer nicht nur die Gebühren zu übernehmen bereit sind, sondern auch noch den Transport der Kinder an den Schulort anbieten, wird dies von vielen schwarzen Familien nicht angenommen, mit dem Argument, sie (die Eltern) kämen ja auch über die Runden, ohne je eine Schule besucht zu haben.

Nach dem Tanken machen wir uns auf den Weg Richtung Süden – der Fish River Canyon ist unser nächstes Ziel. Erst am Ortsausgang bemerken wir ein dutzend armseliger Blech- und Steinhütten etwas abseits der Straße, und so müssen wir unseren anfänglichen Eindruck, Helmeringhausen bestünde nur aus Hotel und Autowerkstatt, revidieren. Die nun folgende Fahrt durch die endlose Weite über staubige Gravel Roads ist landschaftlich ohne jeden Reiz. Da unsere Vorräte an Bargeld zur Neige gehen, und wir keine Ahnung haben, ob wir am Fish River Canyon einen Geldautomaten vorfinden werden, müssen wir einen 90 km langen unplanmäßigen Abstecher nach Keetmannshoop machen, um dort eine Bank aufzusuchen. Bei Goageb zweigen wir deshalb nach Osten ab auf die B4, die erste Asphaltstraße seit über 800 Kilometern Gravel Road – dies entspricht der Entfernung Kiel – München!

Vorbei am "Naute Dam", dem drittgrößten Stausee Namibias, geht die Fahrt dann weiter nach Süden, und die Landschaft wird schon bald wesentlich abwechslungsreicher. Am Nachmittag erreichen wir die "Cañon Lodge", eine traumhaft schöne Bungalow-Anlage in den Granitkoppjes rund um ein als Restaurant genutztes 100 Jahre altes Farmhaus – zu einem (bestimmt angemessenen), für uns jedoch unbezahlbaren Preis. In 6 km Entfernung auf dem Gelände der Lodge gibt es jedoch eine preiswerte "Self Catering Unit" (Selbstversorgereinheit), die in einem ehemaligen deutschen Fort eingerichtet wurde, und wir werden die Entscheidung für diese überaus originelle Unterkunft nicht bereuen. Nachdem wir uns hier einquartiert haben, machen wir uns mit den anderen Gästen bekannt: einem deutschen Pärchen, sowie einer Gruppe schrulliger britischer Pensionäre unter Führung eines weißen Paares aus Zimbabwe. In der Gemeinschaftsküche bereiten wir noch ein Dosengericht zu, dann machen wir einen Ausflug in die reizvolle Umgebung. Euphorbienbüsche und zahlreiche Köcherbäume stehen hier zwischen verstreuten Granitfelsen, die im Licht des frühen Abends rötlich zu glimmen beginnen. An einem geröllbedeckten Hang rasten wir noch eine Weile zwischen den Köcherbäumen und genießen den Sonnenuntergang, bevor wir im Dunkeln in unsere Unterkunft zurückkehren.

 

01.09.2003

Vormittags machen wir uns zum nur 20 km entfernten Fish River Canyon auf, dem (nach dem Grand Canyon in den USA) zweitgrößten Canyon der Welt. Von einem am Canyon-Rand entlang führenden Wanderpfad hat man großartige Ausblicke in die gewaltige, von schroffen Felshängen begrenzte Schlucht, an deren Boden der Fish River erst bei genauem Hinsehen als ein um diese Jahreszeit ziemlich kümmerliches Rinnsal auszumachen ist. Natürlich kann dieser Canyon einem Vergleich mit dem ungleich größeren Grand Canyon nicht standhalten – einen grandiosen Anblick bietet er aber allemal. An der Schutzhütte am zentralen Aussichtspunkt wimmelt es von Rotschulterglanzstaren, die uns frech die Butterbrote aus der Hand stehlen. (Zu unserer Überraschung begegnen wir hier dem Pärchen aus Südafrika wieder, das wir auf der Solitaire Guest Farm kennengelernt haben, und tauschen unsere Adressen aus.)

Nachdem wir über einen holprigen Fahrweg (für den unser Auto eigentlich nicht geeignet ist) noch einen weiteren, abseits gelegenen Aussichtspunkt aufgesucht haben, treten wir den Rückweg an. Beim Campingplatz Hobos, der sich in einem trockenen Flusstal ausbreitet, machen wir eine Exkursion zur Vogelbeobachtung in das baumbestandene Gelände, und neben etlichen exotischen Singvögeln (darunter der Maskenbülbül) können wir auch zwei Paviane beobachten.

Am Nachmittag statten wir der Cañon Lodge einen Besuch ab. In der wunderschönen Gartenanlage bummeln wir zwischen blühenden Pflanzen und Kakteen und beobachten exotische Vögel. Nach einem Tee auf der Terrasse des Restaurants kehren wir zu unserem Fort zurück. Ich unternehme noch zu Fuß einen ausgedehnten Ausflug ins umliegende Gelände, um Fotos von den Köcherbäumen im Abendlicht zu machen, und kann einen wunderschönen Sonnenuntergang erleben.

Gemeinsam mit den anderen Gästen bestücken wir den offenen Kamin im Gemeinschaftsraum und machen es uns im Schein des Feuers bei einem Glas Wein gemütlich.

 

02.09.2003

Kurz nach Sonnenaufgang zeigt sich der Himmel erstmalig bewölkt, bietet aber einen faszinierenden Anblick, wie er blauschwarz über den im flachen Morgenlicht leuchtenden Euphorbienbüschen steht.

Wir bringen den Schlüssel unseres Zimmers in der Lodge vorbei, und ich stelle noch eine Weile den Klippschliefern nach, die auf den Granitfelsen auf dem Lodgegelände in der Morgensonne dösen. Dann geht es über Grünau Richtung Keetmannshoop.

Über eine Gravel Road erreichen wir schon bald die vom nahen Südafrika kommende, nach Norden führende B1, eine breite Asphaltstraße. Die Landschaft ist zunächst sehr abwechslungsreich, die Straße ist gesäumt von freistehenden "Felskoppjes" (von der Erosion rundgeschliffene Granitbrocken). Hinter Grünau geht es dann nahezu schnurgerade durch die weite Ebene des Hochlandes.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Keetmannshoop, wo wir unser von Helmeringhausen aus vorgebuchtes Zimmer in der "Central Lodge" beziehen, einer ansprechenden Anlage mit hübschem Innenhof im Zentrum des ansonsten ziemlich provinziellen Städtchens.

Nach kurzer Verschnaufpause machen wir uns auf den Weg zum "Köcherbaumwald" ("Kokerboom Forest" auf Afrikaans), der zusammen mit einer weiteren Attraktion, dem "Giants Playground" auf dem Gelände der Gariganus-Farm in nur 13 km Entfernung besichtigt werden kann. Auf der Farm werden – neben einem kapitalen Warzenschwein-Eber und einer Rotte putziger Erdmännchen – verwaiste Geparden gehalten, und anlässlich der für 16 Uhr angekündigten Fütterung haben die Farmbesucher – sofern sie mutig genug sind – die Gelegenheit, einen der Geparden zu streicheln, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen.

Am späten Nachmittag suchen wir dann den nahen Köcherbaumwald auf. Auf einem von Felsbrocken übersäten, hügeligen Areal von einigen Hundert Metern Durchmesser stehen über 300 dieser aparten Gewächse beisammen (in dieser Dichte und Häufung wohl einmalig in Namibia) und geben im Licht des frühen Abends interessante Fotomotive ab.

Köcherbäume sind Baum-Aloen (also keine echten Bäume), die als Sukkulenten besonders gut an ihre trockenen und steinigen Standorte angepasst sind und mehrere hundert Jahre alt werden können. Ihr charakteristisches Aussehen erhalten sie einmal durch die wachsartige Rinde, zum anderen dadurch, dass sich der Stamm und danach die Äste stets Y-förmig verzweigen und dadurch schließlich eine kugelförmige Krone bilden.

Danach fahren wir zum "Giants Playground" hinüber, einer Ansammlung bizarrer Basaltgebilde, die aussehen, als hätten Riesen die Felsbrocken spielerisch zu Skulpturen übereinandergetürmt (eine andere Erklärung haben wir übrigens auch nicht, die Geologen wissen es aber besser und sprechen von "Blockverwitterung"). Wir wandern auf einem ausgeschilderten Hiking Trail über das Gelände, das so weitläufig ist, dass man sich ohne weiteres zwischen den Felsmonumenten verlaufen kann. Gelegentlich sehen wir Klippschliefer auf den Felsen liegen, und die flache Abendsonne lässt den Fels zunehmend rötlicher leuchten.

Nach diesem lohnenden Ausflug kehren wir kurz vor Sonnenuntergang in unsere Lodge in Keetmannshoop zurück und lassen uns im Restaurant ein Straußensteak von der Größe einer mittleren Pizza schmecken.

 

03.09.2003

Die verbleibende Strecke bis Windhoek (480 km) wollen wir in zwei Etappen aufteilen, als Zwischenstation haben wir das "Hardap Recreational Resort" am Hardap Dam bei Mariental vorgesehen. Die Fahrt über die B1 führt stundenlang und schnurgerade durch die endlose Kalahari und ist dementprechend langweilig.

In Mariental kaufen wir in einem Supermarkt frische Zutaten für unsere Abendmahlzeit (Lammfleisch, Pilze, Zucchini und Zwiebeln), sowie ein Säckchen Eis zum Kühlen, dann fahren wir zum 25 km entfernten Hardap-Dam (dem größten der nur wenigen Stauseen Namibias), wo wir auf dem Campingplatz des Resorts unser Zelt aufbauen.

Durch das umliegende Gelände führt ein "Game Drive" (eine Route zur Wildbeobachtung), und wir hoffen auf eine letzte Gelegenheit zur Begegnung mit Wildtieren (immerhin gibt es hier noch eine kleine Population des sehr seltenen Spitzmaulnashorns). Nachdem wir ein Gate passiert haben führt die einsame Gravel Road durch stark hügeliges Gelände, das mal offen und geröllig, dann wieder als typische Buschsavanne ausgeprägt ist mit hohem Gras und Kameldornakazien. Unterwegs können wir eine Gruppe Kudus beobachten, auch einige Springböcke und Strauße streifen umher, und einmal flieht eine kleine Pavianherde mit Jungtieren vor uns durch das Gras. Eine uns bisher unbekannte zierliche Antilope mit auffallend großen Ohren identifizieren wir später als "Steinböckchen". Von den Nashörnern bekommen wir leider nicht mehr zu sehen als ihren Dung. Zehn Minuten vor Schließung des Gates verlassen wir den Game Park und genießen auf der Dammkrone den kurzen Sonnenuntergang über dem Stausee. Am Ufer einer im See gelegenen Insel machen wir einige Pelikane aus.

Vor unserem Zelt kochen wir ab; es ist bereits dunkel, und der Sternenhimmel ist diesmal wolkenverhangen. Die Nacht im Zelt wird warm werden.

 

04.09.2003

Früh morgens bauen wir unser Zelt ab und setzen die Fahrt nach Norden fort. Die B1 führt noch eine Weile durch die vollkommen eintönige Kalahari, dann steigt sie allmählich in das Khomas-Hochland auf (Windhoek liegt in 1700 Metern Höhe), und die Landschaft wird zunehmend bergiger und abwechslungsreicher. Durch die umgebende Savanne ziehen Strauße, auch einige Springböcke sind zu sehen, und hin und wieder tauchen Steppenpaviane in kleineren Gruppen am Straßenrand auf.

Unterwegs kommen wir an einem kleinen Ort namens "Kalkrand" vorbei, einer Siedlung aus armseligen Blechhütten, wie wir ähnliche schon des öfteren gesehen haben. Ich will diese – möglicherweise letzte – Gelegenheit nutzen, endlich einmal Fotos dieser Behausungen aus der Nähe zu machen, was ich bisher unterließ, um mich nicht dem Vorwurf des Voyeurismus auszusetzen. Ich entschließe mich daher, von der B1 abzuzweigen und in den Ort hineinzufahren. Nur zögernd nähern wir uns über einen staubigen Platz einer dieser Hütten, aus der eine Frau heraustritt und uns misstrauisch mustert. Als einige junge Männer, die in der Nähe am Boden hocken, unser Interesse an ihrem Wohnort bemerken, winken sie uns freundlich zu – damit hätten wir nun gar nicht gerechnet! Nachdem ich mit äußerst gemischten Gefühlen meine Fotos gemacht habe, kehren wir zur B1 zurück.

In Rehoboth, dem letzten größeren Städtchen vor Windhoek, legen wir einen Tankstopp ein. An einer Mauer neben der Tankstelle sitzen drei Schwarze auf der staubigen Straße und schnüffeln irgendeine Droge (vielleicht Benzin?) aus Plastiktüten. Da wir hungrig sind, suchen wir eine Kneipe auf; darin riecht es ekelerregend, und als wir unversehens in ein unheimliches Gewimmel von teils stark alkoholisierten Schwarzen geraten, verlassen wir sie fluchtartig.

Auf der weiteren Fahrt nach Windhoek durchqueren wir ein Gebiet, in dem das Volk der San (Buschleute) heimisch ist. Am Straßenrand sehen wir immer wieder Verkaufsstände, an denen Angehörige des San-Volkes Decken aus Fell-Patchwork feilbieten. Wir haben keine Verwendung für diese Decken, aber heute bedauere ich es doch, dass ich nicht wenigstens einmal an einem dieser Stände angehalten habe.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Windhoek und geben als erstes unsere Zeltausrüstung zurück, dann checken wir in unserer "Pension Moni" ein und unternehmen einen Stadtbummel. Unterwegs kaufen wir einige Souvenirs, darunter traditionelle geschnitzte Perlhuhnfiguren, sowie zwei Pakete mit San-Kunst bedruckter Servietten – für die Bewirtung meiner Gäste, die ich zuhause mit Chakalaka zu bekochen gedenke. Bärbel erwirbt eine mit hübschen folkloristischen Motiven bedruckte Jutetasche, die sie noch heute täglich benutzt.

 

05.09.2003

Morgens holt uns der Mitarbeiter unseres Auto-Vermieters ab (unser Auto können wir einfach auf dem Hof der Pension stehen lassen) und bringt uns zum Flughafen. Auf dem Rückflug ist der Himmel wolkenfrei, und wir beenden dieses faszinierende Reiseerlebnis mit einem grandiosen Blick auf die Salzpfanne in der Etosha aus zehntausend Metern Höhe.

 
Essen, im Oktober 2004
© Thomas Schoch